Konrektor Heinrich Fries aus Montabaur forschte nach der Entstehung der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Montabaur in den Akten der Krämerzunft in Montabaur vom Staatsarchiv in Wiesbaden sowie die betreffenden Akten des Stadtarchivs in Montabaur.
Die älteste noch vorhandene Zunftordnung der Krämer stammt aus dem Jahre 1588 und wurde von Erzbischof Johann von Schönberg am 8. November auf der Burg in Montabaur ausgefertigt.
In diesem Aktenstück steht über die Bruderschaft St. Sebastianus, zu der alle waffentragenden Männer der Zunft gehörten, wörtlich:
„Es solle auch die Kremer geselschafft uff den herrn fronleichnams Tagh daß hochwürdigh heiligh Sacrament inn der Proceßion mitt Iren gewoinlichenn Burgerlichen Wehren so lang selbige Proceßion außer oder innerhalb der Stadt dauren oder wehren wuerde, zu beleiden (zu begleiten) und mittzugehn schuldich sein.“ (Abschnitt 16 der Zunftordnung) „Wann auch alle guette Ordnungen, Anstellungen und satzungen vonn dem Allmechtigen herkhommen und seiner Göttlichen Gnade billig zugeschrieben werden, damitt dan die ehr deß allmechtigen Gottes zu sonderbarem ersprießlichem Nutz und gedeien dießer Zukunft und gesellschafft hierinn auch befordert, auch vor Augen gehaltten werde: Alß sollte jerlichs uf St. Sebastianus des heiligen Marters tagh diese gesellschafft eine eigne Brueterschaft St. Sebastiani in der Pfarrkichn alhier uf St. Sebastians Alttar mitt dem Ambt der heiligen Meßen gewoinlichen Kirchen beleuchtungen gebetten und andern christlichen catholischen Ceremonien gehalten werdenn. Darbey alle so in der bruderschafft zur Zeit sein werdenn bey Straff eines Pfundt waxs zuerscheinen (jedoch erhebliche Ursachen erkentnus der Zunfftmeister außgescheiden) verpflichtet sein und solle allen den jenigen, so sich dess schießens gebrauchen, in solche bruderschafft mittelst drey Pfundt wachs und einer Flaschen wein zu trettenn frey stehen, sonsten ist der gesellschaft unverbotten, lrer aignen Devotion und Andacht nach, daß Jar durch denselben Alttar St. Sebastiani mitt zierlichen Kirchengeleut, andechtigen und gottseligen Kirchendiensten zu versehen und zu zurüsten laßen“ (Abschnitt 25 der Zunftordnung).
Die Zunftordnung von 1588 spricht von „Iren gewoinlichen Burgerlichen Wehren“, das heißt der üblichen Wehren. Daraus geht klar hervor, dass die Bruderschaft schon vor 1588 bestanden hat. Sicher ist ferner, dass diese Zunftordnung nicht die erste war, die von den trierischen Kurfürsten erlassen wurde. Das geht auch deutlich hervor aus der Präambel zu dieser Verordnung, die beginnt: „uf underthenigs und fleißigs anhaltenn etlicher Unserer Underthanenn und Burger Unserer Stadt Montabur“ und schlleßt „alß der Landtsfurst und rechte Herr, ein Kremerzunfft inn vorgemeltter Unserer Stadt Montabur uff und antzustellenn gnediglichenn verwilliget und von Neuem angestellt habenn, ln Craffts dieses alles folgenden Inhalts.“
Wenn man von neuem eine Ordnung erlässt, dann müssen andere vorausgegangen sein. Leider fehlen aber die älteren Zunftordnungen, so dass man sich bezüglich der Entstehung der Schützenbruderschaft mit Vermutungen zufriedengeben muss.
Einen weiteren Hinweis auf das Alter der St. Sebastianusbruderschaft gibt die Urkunde aus dem Jahre 1586.
Am 29. Januar reduzierte der Kurfürst und Erzbischof Johann von Schönberg die Vikarien in der Pfarrkirche zu Montabaur von 18 auf 4. Unter den wegen schlechter Dotierung reduzierten Vikarien befand sich auch der Altar des hl. Sebastianus, der mit der Vikarie St. Nikolaus vereinigt wurde.
Die Zunftordnung von Erzbischof Karl Kaspar von der Leyen vom 20. Oktober 1658 beschränkt den Handel der ausländischen Krämer auf die Wochenmärkte und bestätigt im Wesentlichen die frühere Zunftordnung aus dem Jahre 1588, macht aber keine Angaben über die Bruderschaft St. Sebastianus.
Artikel 1: „Weilen aller sachen guter Anfang von Gottes Seegen gänzlich abhanget, so sollen alle diejenige, welche sich gegenwärtiger Zunft einverleiben lassen, all und jeden Jahrs den Tag nach deen heiligen dreyen königen in der Pfarrkirchen zu Montabaur des morgens zu gewohnlicher Zeit erscheinen, der daselbsten von ihnen zu bestellen habender heiliger Meßen mit Andacht beywohnen und dorinnen deren aus der Zunft abgelebter Brüderen und Schwesteren, wie nicht weniger eines zeitlich höchsten Landes Regenten mit dem Gebett fleißig eingedenck seyn, nach gehörter dieser heiligen Meßen aber sich 2. auf die gewöhnliche Zunftstube oder wo deren allen falslge Zusammenkunft wäre, der Ordnung nach begeben, dasselbsten dann in aller Einigkeit aus ihrenn Mitglied zwey Zunft Meistere erwählen.“
Artikel 6: „sollen alle Zunftglieder denen öffentlichen Pfarr Proceßionen ihrer Ordnung nach auferbaulich beywohnen, wobey die zwey Jüngste die Zunftfahne wechsel weiß, die vier Nachkommende aber das kurz Gewehr bev dem Venerabile zu tragen und gleich anfangs bey der Pfarrkirchen ohnausblaichlich zu erscheinen haben, unter Straf eines rheinischen Guldens.“
Diese letzte Zunftordnung weicht insofern von der aus dem Jahre 1588 ab, als fortan der Pflichttag nicht mehr der Tag des hl. Sebastian (20. Januar) war, sondern der Tag nach dem Feste der Hl. Drei Könige. Die Zunft begleitete das Allerheiligste bei Prozessionen durch die Zunftfahne und 4 Schützen mit angezogenem Gewehr.
Recht nette Einblicke in das innere Leben der Zunft gewähren die beiden noch vorhandenen Zunftbücher, die uns nicht nur die Krämer von 1676-1830 aufführen, sondern darüber hinaus noch wertvolle Aufzeichnungen geben. Danach scheinen die 4 Schützen bei Prozessionen nicht immer ein Gewehr getragen zu haben. „Noch ist selbigen Tag (1701 d. 17. Januar) verordnet wordten, daß die neu ahngeschaffte vier partisanen, so zu zierdte der prozessionen zur Ehren Gottes bey dem Hochwürdigen pflegen umbgetragen zu werdten, deren Jahrs folgende Zunftmeisteren sollen überlieffert werdten. Welche partisanen heuth dato sambt zweyen altar Blumen seindt dem Jacob Morasch zahlt wordten umb 12 Gulden 3 albus.“
„In anno, 1706 ist verwilligt worden von gesambter Zunfft, daß die vire Zunftgenossen, so die hellebarth (Hellebarde und Partisane waren das gleiche) tragen, jährlich von der Zunfft haben sollen vier Quart Wein undt vier albus weck“ 1814 d. 5. Mai wurden von der Zunft „3 Spießen zur aufhebung“ an den Stadtrat abgegeben.
„Anno 1699 Ist von versambter Zunfft ein neu Antipendium mit Küssen (Kissen) gemacht worden vor den St. Sebastiani altar so in anno 1700 zu St. Sebastiani tag daß erste mahl vorgesetzt worden. Kostet 14 Gulden 14 albus“.
„1730 d. 14. May hat herr Hastendeufel undt Michael Weinfurter von versambleten Zunfft Commission erhalten, das grabtuch machen zu lassen undt hatt Hastendeufel ahn gelth bekommen 19 Reichstaler 3 albus, worüber künftig rechnung zu thun haben.“ Dieses Grabtuch wurde wohl über die Trage ausgebreitet, auf der die Männer der Bruderschaft ihren Zunftgenossen zum Friedhof trugen.
Ergänzung März 2019: Beim Begräbnis eines Zunftbruders oder eines Mitgliedes seiner Familie bestand für alle Zunftgenossen und deren Familien Teilnahmepflicht; die Leiche wurde dabei von 4 Gesellen oder den jüngsten Mitmeistern getragen. [2]
Entgegen der Auffassung, die Gesellschaft sei – bei der Aufhebung der Zünfte durch Freiherrn von Stein zu Anfang des 19. Jahrhunderts – aufgelöst worden, steht inzwischen fest, dass die Schützengesellschaft Montabaur noch 1848 bestand. Sie nahm am 20. August 1848 an einem „Verbrüderungsfest“ der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Ehrenbreitstein teil, wie aus der Festschrift der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften vom September 1981 hervorgeht.
Ergänzung März 2019: Am 15. August 1848 wurde vom Vorstand der „hiesigen Schützen-Compagnie“ beim „Herrn Stadtschultheißen dahier“ ein Antrag zur Anlage eines Schießstandes gestellt. Der Schießstand sollte „am Fischerhäuschen“ eingerichtet werden, wobei die Zielscheibe „gegenüber am Quendelberg“ zu finden sei. Lokalisieren lässt sich das heute auch in alten Flurkarten nicht mehr. Der Bescheid des Stadtschultheißen lautete:
„Die Schießbahn und Scheiben-Stand ist so gerichtet, dass diese unserer Überzeugung nach ein Unglück nicht zu befürchten und in polizeilicher Hinsicht aus noch zu rügen ist, dass für die Scheibenanzeiger noch eine Sicherheitshütte zu beschaffen ist.“
So einfach kann Bürokratie sein. [3]
Ergänzung Jörg Kamp, März 2019: In früheren Zeiten übten die Bürger ihre Wehrtüchtigkeit bei ihren Schützenfesten vor dem Peterstor im „Schießgraben“ oberhalb des Unksberges, wo die Sebastianus-Bruderschaft jährlich Schützenfeste mit Scheibenschießen veranstaltete. [1]
Quellen- und Literaturnachweis
- HHStAW, Abt. 116 XV llb 16 Fasz. I 1.10
- HHStAW, Abt. 116 Fasz. II 1- 22, Fasz. III 1-20, 30 Fol. 1-59
- HHStA, Abt. 116 Nr. 36
- StAM, Zunftsachen der Krämerzunft von 1588-1765
- StAM, Abt. 2 Nr. 104
- HHStAW = Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
- StAM = Stadtarchiv Montabaur
- [1] Possel-Dölken, „Geschichte der Stadt Montabaur“ Teil 2, Band 1 Seite 99
- [2] Laufner, Zünfte, Seite 134; Höhler, a.a.O.
- [3] Schrupp, Bernd, „Soldaten in Montabaur – die Stadt als Garnison“, in: Schriftenreihe zur Stadtgeschichte, Heft 11, Herausg. Stadtarchiv Montabaur, 2009